Kein kommunaler Schlachthof im Landkreis - Pressemitteilung

Markus Graff Fraktionsvorsitzender Gruppe DIE LINKE/Die Partei

Nach 13 Monate ist unser Antrag zu prüfen, ob ein kommunaler Schlachthof im Landkreis machbar ist, endlich öffentlich behandelt worden. Der jüngste Skandal um das größte Schlachtunternehmen Europas mit Sitz im westfälischen Rheda-Wiedenbrück und die vorübergehende Stilllegung des gesamten Werkes haben zu massiven Problemen bei den Landwirten geführt. Aufgrund fehlender regionaler Schlachthöfe sind diese auf Großschlachtbetriebe angewiesen.

Die in den letzten Jahrzehnten erfolgte Zentralisierung der Schlachthöfe hat zahlreiche weitere negative Konsequenzen nach sich gezogen. So bedeuten längere Transportwege nicht nur mehr Stress für die Tiere, sondern einen höheren Aufwand und damit Kosten für den Transport, den die Landwirte zu tragen haben. In Folge dessen wird auch die Tierhaltung immer weiter zentralisiert, weil diese regional aufgrund zu weiter Transportwege nicht mehr darstellbar ist. Das wiederum läuft diametral dem entgegen, was die Gesellschaft einfordert: Artgerechte Tierhaltung, kurze Transportwege und eine schonende Schlachtung. Mehrere Studien belegen, dass das Tierwohl und die Einhaltung von Arbeitnehmerrechten und Hygienevorschriften mit zunehmender Größe von Schlachthöfen abnehmen. Eine kommunale Trägerschaft böte eine bessere Kontrollierbarkeit und würde unmittelbar dem Verbraucherschutz dienen. Die Forderung nach einer zentralen Schlachtstätte für die Region, die idealerweise von der Kommune betrieben wird, zielt daher in die richtige Richtung: Lüneburg braucht wieder einen kommunalen Schlachthof. Zwischen den 1870er- und 1970er-Jahren hatten wir in Deutschland schon einmal eine Phase der kommunalen Vieh- und Schlachthöfe; danach setzte eine massive Privatisierungswelle ein. Die heutigen Zustände in der industriellen Fleischproduktion sind letztlich genau auf diese Entstaatlichung zurückzuführen. Konkret bedeutete das die Schaffung eines prekären Niedriglohnsektors mit komplexen Subunternehmerstrukturen und die Ausbeutung von Arbeitskräften über Werkverträge und Leiharbeit. Damit diese Missstände in den Blick einer breiteren Öffentlichkeit kamen, mussten sich im Frühjahr erst Tausende Arbeiterinnen und Arbeiter in Schlachthöfen mit Corona infizieren. Ein Blick in andere Kommunen zeigt: Ein kommunaler Schlachthof ist eine sehr zeitgemäße Idee. In Bayern werden gerade mehrere kommunale Schlachthöfe wiedereröffnet, in Frankfurt am Main wird ebenfalls die Möglichkeit einer Neugründung geprüft.

 

In diesen 13 Monaten sind über 300.000 im Landkreis Lüneburg gemästete Tiere irgendwo in Deutschland, Europa oder sonst wo geschlachtet worden.

Es ging in diesem Antrag nicht um den Bau eines kommunalen Schlachthofes, sondern um ein Gutachten, eine Machbarkeitsstudie. Welche finanziellen und technischen Voraussetzungen müssen gegeben sein? Welche Fördermöglichkeiten gibt es?

Wenn das Ergebnis der Machbarkeitsstudie vorliegen würde, könnte der Kreistag entscheiden, ob ein solcher kommunaler Schlachthof gewünscht wird oder nicht. Eine aussagefähige Beratungsvorlage ist aber erforderlich und um diese ging es im Antrag.

Die Verwaltung hat eine umfangreiche Stellungnahme zum Antrag vorgelegt. Lassen Sie mich einige Punkte hier aufgreifen.

1. Die Verwaltung kommt zu der Feststellung, dass Tiere zum Schlachten nur coronabedingt ins Ausland gebracht werden.

Das war auch vor Corona schon so. Berichte in der Fernsehreihe REPORT oder Monitor empfehle ich hier. Transportzeiten von acht und mehr Stunden kommen vor – ganz unabhängig von Corona

Ein kommunaler Schlachthof verhindert Transporte durch ganz Deutschland, Europa oder noch weiter.

2. Die Verwaltung kommt zu dem Schluss, dass der Tierschutz in großen Schlachthöfen besser gewährleistet ist als in kleinen und mittleren Betrieben. Ich zweifele das an, möchte mich dazu hier aber nicht auslassen. In diesem Punkt möchte ich den Blick vom Tierwohl auf das Menschenwohl richten.

Wer arbeitet den in diesen Schlachtfabriken? Es sind Lohnsklaven die irgendwo aus Rumänien oder Bulgarien von Subunternehmern herangekarrt werden – ohne Krankenversicherung – untergebracht in Löchern, völlig unterbezahlt und vom Subunternehmen abhängig. Das wollen wir nicht. Ein kommunaler Schlachthof hat sowohl den Tierschutz- als auch den Menschenschutz im Blick.

3. Die Verwaltung kommt zu dem Schluss, dass die Wirtschaftlichkeit eines kommunalen Schlachthofs nicht gegeben ist. Stimmt. Die Wirtschaftlichkeit ist nicht gegeben. Aber auch die Kreisverwaltung arbeitet nicht wirtschaftlich. Keine Schule, kein Kindergarten arbeitet wirtschaftlich. Das Theater nicht, die Volkshochschule nicht und auch die Arena wird nicht wirtschaftlich arbeiten. Trotzdem haben wir diese Einrichtungen, weil wir entschieden haben, dass wir sie brauchen.

Tierschutz, Klimaschutz, Menschenschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Es kostet etwas. Wir müssen uns irgendwann entscheiden, was uns dieser Schutz wert ist.

4. Die Verwaltung legte uns eine Tabelle vor, in der die vorhandenen Tiere im Landkreis aufgelistet sind. Offensichtlich will man damit suggerieren, dass es hier nur ganz wenige schlachtfähige Tiere gibt. Lassen Sie mich eine Zahl herausgreifen:

20051 Masthühner. Die Mastzeit beträgt 38 bis 42 Tage. Die Anzahl ist also mind. mit 10 zu multiplizieren. Über 200.00 Masthühner werden im Landkreis Lüneburg jedes Jahr gemästet und irgendwo in Deutschland, Europa oder sonst wo geschlachtet. Wenn ich die anderen aufgelisteten Tiere hinzurechne, komme ich auf die schon erwähnten über 300.000 Tiere pro Jahr. All diesen Tieren könnte Leid erspart werden, wenn sie in einem kommunalen Schlachthof im Landkreis geschlachtet werden würden. Würden sich 2 bis 3 Landkreise zusammentun, hätten wir leicht eine Million Tiere pro Jahr. Wieviel Leid würde man den Tieren ersparen?

5. Die Verwaltung hebt immer auf die Schlachtpreise ab. Es wird da geschlachtet wo es am günstigsten ist. Ein kommunaler Schlachthof kann diesen Tiertourismus unterbinden. Eine entsprechende Satzung der Kommune legt die Schlachtpreise fest und schreibt eine Benutzungspflicht vor. Kein Tier müsste den Landkreis zur Schlachtung verlassen.

Leider konnte ich mich mit den Argumenten nicht durchsetzen. Der Verbraucher/Verbraucherin sei schuld. Wir sind nicht zuständig. Land, Bund oder Europa müssten etwas tun….

Nein, wir können etwas tun, wenn wir es wollen. Leider haben auch die Grünen im Kreistag den Tierschutz auf dem Altar des Mitregierens in Berlin geschlachtet. Nur eine Vertreterin der Grünen hat mit mir für den Antrag gestimmt, zwei weitere haben sich beim Tierschutz enthalten.

SPD, CDU und FDP haben sich zur Marktwirtschaft bekannt und den Antrag abgelehnt.

Markus Graff

Fraktionsvorsitzender