Jede/r Fünfte arm trotz Vollzeitjob

Thorben Peters Kreisvorsitzender

Studie: Trotz Vollzeitstelle arm, davon ist knapp jede oder jeder fünfte Arbeitnehmer:in in Deutschland betroffen. Das ergab eine aktuelle Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Im unteren Einkommensbereich liegen Arbeitnehmer:innen, die weniger als zwei Drittel des mittleren monatlichen Bruttogehalts aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten erhalten. Das waren in 2020 2284 Euro brutto.

Als Grundlage dienten die Meldungen der Arbeitgeber:innen zur Sozialversicherung. Starke Schwankungen gab es zwischen Ost und West, zwischen den Geschlechtern, Qualifikationen, Menschen mit Migrationshintergrund und Branchen. Auch, wenn in Ostdeutschland der Anteil der Geringverdienern in den letzten zehn Jahren um zehn Prozent auf 29 Prozent zwar stark zurückging, blieb er gegenüber dem Westen im Vergleich mit 16,4 Prozent hoch.

Müssen bundesweit 25,4 Prozent Frauen mit einem niedrigen Monatseinkommen trotz Vollzeitjob auskommen, sind es bei den Männern 15,4 Prozent. Mit 40,8 Prozent liegt die Quote der Geringverdiener:innen bei Vollzeitbeschäftigten ohne Berufsabschluss weit über dem Schnitt. Diese sinkt auf knapp 18 Prozent, wenn ein Abschluss vorliegt und bei Beschäftigten mit einem Uniabschluss liegt sie lediglich bei 4,9 Prozent. Rund jede/r Dritte mit Migrationshintergrund (36,9 Prozent) mussten mit einem niedrigen Einkommen auskommen.

Arm trotz Vollzeitjob war insbesondere im Gastgewerbe (68,9 Prozent), in der Leiharbeit (67,9 Prozent) und in der Land- und Forstwirtschaft (52,7 Prozent) weit verbreitet. Aber auch in den Bereichen Kunst und Unterhaltung, private Haushalte, in der Logistik und im Handel war es noch immer jede oder jeder Dritte mit einem unterdurchschnittlichen Verdienst.

Jeder fünfte in Niedersachsen von Arbeitsarmut betroffen

In Niedersachsen ist es jede oder jeder Fünfte (19,9 Prozent) der trotz Vollzeitstelle arm bleibt; wobei die VW-Stadt Wolfsburg mit 6,4 Prozent positiv heraussticht. Einen starken Unterschied gibt es zwischen den Geschlechtern. Doppelt so viele Frauen (30,2 Prozent) hatten eine ziemlich leere Lohntüte im Vergleich zu den Männern mit 15,5 Prozent. Nicht viel anders sieht es in Lüneburg aus. 29,2 Prozent der Frauen stehen 17,6 Prozent der Männer gegenüber. Arm trotz Arbeit betreffen insgesamt 21,6 Prozent.

Dazu Thorben Peters (Kreisvorsitzender DIE LINKE Lüneburg):

Dass jede/r fünfte Arbeitnehmer:in nach einem harten Vollzeitjob arm nach Hause geht, zeigt die Respektlosigkeit gegenüber denen. Die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro kann nur der erste Schritt sein. Der zweite Schritt ist die Erfordernis der Tarifbindung.

Inge Hannemann (Sozialaktivistin) ergänzt:

Die Agenda 2010 unter Rot-Grün forcierte den Niedriglohnsektor, der bis heute seine negative Wirkung zeigt. Die Folgen sind Arm trotz Vollzeitjob und Altersarmut. „Respekt“, wie es unter der derzeitigen Ampel-Koalition propagiert wird, ist keine Einbahnstraße. Politisches Engagement darf nicht bei 12 Euro Mindestlohn enden.