Militär und Bundeswehr als Klassenfrage

Ort: Lüneburg, SCALA Programmkino

Warum sich Linke in den 1970er Jahren in der Bundeswehr organisiert haben?

Mit Martin Fochler (Redakteur „Politische Berichte“ und www.linkekritik.de)

20. Oktober 2023, 19 Uhr

Scala-Kino, Apothekenstraße 17, Lüneburg

In den 1970er Jahren organisierten sich Linke in der Bundeswehr. So baute zum Beispiel der „Kommunistische Bund Westdeutschland“ (KBW) – eine von mehreren Kleinparteien aus der 68er-Bewegung – eigene „Soldaten- und Reservistenkomitees“ auf. Das Ziel: Widerstand gegen soziale Missstände in der Armee sowie das Leben in der Befehlskette zu organisieren. Mit unterschiedlichen Zielen bemühten sich zum Beispiel auch die DKP, die KPD-ML oder der Kommunistische Bund um Soldaten. War die Bundeswehr bis dahin vor allem als Instrument des „deutschen Imperialismus“ politisch bekämpft worden, sollten nun Linke in der Truppe aktiv werden, um in der Armee Propagandaarbeit zu leisten. Zugleich war die Arbeit auch Ausdruck der Defensive: Im Rahmen der 1968 beschlossenen Notstandsgesetze bestand die Befürchtung, die Bundeswehr könne im Innern gegen linke und demokratische Kräfte eingesetzt werden. Der Fuß in der Tür der Armee sollte Optionen zum politischen Widerstand eröffnen. Das Verhältnis zur Bundeswehr veränderte sich in der Linken – auch aufgrund der Einschätzung politischer Kräfteverhältnisse. Denn in einer Zeit zugespitzter weltpolitischer Konfrontation entstanden in linken Bewegungen und darüber hinaus Strategien von Verweigerung, Widerstand und Unterstützung antiimperialistischer Kämpfe.

In Zeiten des allgemeinen Wehrdienstes kamen Soldaten aus allen Teilen der Gesellschaft. Gewerkschaftliche Ansätze und soziale Forderungen waren wichtig, zum Beispiel die Forderung nach Lohnfortzahlungen, das Recht auf jederzeitige Kündigung für Zeitsoldaten oder Proteste gegen Entrechtung von Soldaten. Auch heute sind Fragen von Arbeit, Bezahlung und Arbeitsschutz Themen in der Armee, wie die aktuelle Forderung von ver.di nach besserer Bezahlung der Tarifbeschäftigten zeigt. Als Berufsarmee ist die Sozialstruktur der Bundeswehr heute eine andere: Laut einer Studie von 2022 gehen Menschen aus Bundesländern mit starken wirtschaftlichen Stukturproblemen überdurchschnittlich oft zur Bundeswehr. Zudem gibt es mehr West- als Ostdeutsche in Führungsfunktionen. Der Dienst bei der Bundeswehr ist durchzogen von sozialer und regionaler Ungleichheit.

In seinem Vortrag wird Matin Fochler darstellen, warum der KBW in den 1970er Jahren begann, linke Soldaten zu organisieren. Zudem wollen wir diskutieren, ob gewerkschaftliches oder linkes Engagement in der Armee heute sinnvoll ist.

Der Referent: Martin Fochler war 1973 Mitbegründer des „Kommunistischen Bundes Westdeutschland“ (KBW), dessen stellvertretender Sekretär und zeitweise verantwortlicher Redakteur der Parteizeitung. 1980 trennten sich Fochler und etwa 600 Mitgliedern vom KBW und gründeten den „Bund Westdeutscher Kommunisten“. Nach dessen Selbstauflösung 1995 engagierte sich Fochler in der PDS. Er ist heute Redakteur der Zeitschrift „Politische Berichte“ sowie der Website www.linkekritik.de und ist in der Partei DIE LINKE aktiv.

Veranstaltungsort: SCALA Programmkino

Apothekenstraße 17
21335 Lüneburg